17 Thesen des wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0

Die Plattform Industrie 4.0 ist ein gemeinsames Projekt der drei Industrieverbände BITKOM, VDMA und ZVEI. Es knüpft an das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 an, das im Aktionsplan zur „Hightech-Strategie 2020“ von der Bundesregierung verabschiedet wurde. Ziel war es, mit geeigneten Maßnahmen, Deutschland in die Lage zu versetzen, bis 2020 Leitanbieter für „Cyber-Physical Production Systems“ zu werden.

Bild: Prof. Dr. Fehmi Alagün

Der Wissenschaftliche Beirat der Plattform stellte 17 Thesen vor, die plastisch skizzieren sollen, welche konkreten Chancen sich tatsächlich mit Industrie 4.0 ergeben. Die Thesen helfen bei der kritischen Analyse der zahlreichen Angebote, die unter dem Label Industrie 4.0 firmieren, aber nicht immer auch einen echten Beitrag dazu leisten.

Die Thesen beschreiben, wohin Industrie 4.0 führt und wirken einer Verwässerung des Begriffs entgegen, indem sie ihn klar umgrenzen.

Bei der Lekture einzelner Thesen fragte ich mich selbst, was die Evolution Industrie 4.0 bringt und was passieren wird.

17 Thesen des wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0 - Mensch, These 1

»Vielfältige Möglichkeiten für eine humanorientierte Gestaltung der Arbeitsorganisation werden entstehen, auch im Sinne von Selbstorganisation und Autonomie. Insbesondere eröffnen sich Chancen für eine alterns- und altersgerechte Arbeitsgestaltung.«

- Beziehen sich Selbstorganisation und Autonomie auf die sozialen Systeme?

- Warum werden Selbstorganisation und Autonomie im gleichen Atemzug erwähnt, obwohl sie zwei unterschiedliche Sachverhalte darstellen?

- Wie sollen die Menschen sich selbst organisieren? Und in welchem Kontext?

- Können die Maschinen sich selbst organisieren? Oder wird ihre Selbstorganisation von aussen angeordnet?

- Geht der Beirat von einer demographischen Entwicklung aus, die aufgrund der starken Zuwanderung für Zukunftsprognosen nicht mehr angenommen werden sollte.

- Die Industrie 4.0 Landschaften werden keine nationalen oder regionalen Grenzen haben. Es wird immer Regionen oder Länder geben, wo junge Arbeitskräfte engagiert werden können. Durch die Industrie 4.0 eröffnen sich keine Chancen für eine alterns- und altersgerechte Arbeitsgestaltung.  

 17 Thesen des wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0 - Mensch, These 2

»Industrie 4.0 ist als sozio-technisches System zu verstehen, und bietet die Chance, das Aufgabenspektrum der Mitarbeiter zu erweitern, ihre Qualifikationen und Handlungsspielräume zu erhöhen sowie ihren Zugang zu Wissen deutlich zu verbessern..«

- Industrie 4.0 ist ein Begriff, der eine Evolution darstellt. Könnten mit den sozio-technischen Systemen Cyber Physical Systeme, deren Errichtung eine Schlüsselrolle in dieser Evolutuon spielt, gemeint sein?

- Mit der Industrie 4.0 Transformation werden auto-dynamische Systeme angestrebt. Damit die Mitarbeiter in auto-dynamischen Systemen agieren können, muss ihr Aufgabenspektrum durch neue Werkzeuge, Methoden, Theorien, Techniken erweitert werden. Dafür sind die Qualifikationsprofile neu zu denken (Kompetenzen für die Arbeit 4.0). Allen voran müssen die System-Kategorien detaillierter beschrieben werden.

- Der Zugang zu Wissen ist weltweit bereits gegeben. Die kontextbezogene Nutzung des Wissens muss in den Cyber Phsyical Systems anders erfolgen. Eine Kernaufgabe in den Industrie 4.0 Transformationsprojekten ist die Definition der transdisziplinären, transkulturellen, transnationalen Kontexte. 

Es kommen neue Zeiten auf die Mitarbeiter in der digitalen Gesellschaft zu. Sie werden vor neue Herausforderungen gestellt. Die Generation Millennium muss auf diese Herausforderungen vorbereitet werden. Die aktuellen Unterrichtskonzepte in den Schulen transportieren leider die erfolgreiche Vergangenheit, wo wir zum Telefonieren zur Telefonzelle liefen, in die digitale Gesellschaft der Zukunft. Lassen Sie uns beeilen und wir sollten etwas kürzer diskutieren. 2020 die PISA Keule rauszuholen, wird uns nämlich nicht weiterbringen.   

 17 Thesen des wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0 - Mensch, These 3

Die siebzehn Thesen beschreiben, wohin Industrie 4.0 führt und wirken einer Verwässerung des Begriffs entgegen, indem sie ihn klar umgrenzen.

These 3

»Lernförderliche Arbeitsmittel (Learninstruments) und kommunizierbare Arbeitsformen (Community of Practice) erhöhen die Lehr- und Lernproduktivität, neue Ausbildungsinhalte mit einem zunehmend hohen Anteil an IT-Kompetenzen entstehen.«

Ich interpretiere die These 3 wie folgt:

- Industrie 4.0 setzt denkförderliche Techniken, Theorien, Werkzeuge, Methoden voraus, selbst wenn man das Thema nur auf IT reduziert, wie die Verfasser der Thesen offensichtlich tun.  

- Die kommunizierbaren Arbeitsformen (Community of Practice) sollten die Denkproduktivität erhöhen.

- Neue transdisziplinäre Ausbildungsinhalte mit einem zunehmend hohen Anteil an fit for 2020-Kompetenzen, u.a. mit IT-Anteilen, müssen entstehen.

Meine Vorschläge für Community of Practice u.a.:

- Smart Products

- Smart Grids

- Smart Buildings

- Smart Mobility

- Smart Logistics

- Industrie 4.0 Theorien

- Industrie 4.0 Design Mindset  

- Internet of Things & Internet of Services

17 Thesen des wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0 - Mensch, These 4

Die siebzehn Thesen beschreiben, wohin Industrie 4.0 führt und wirken einer Verwässerung des Begriffs entgegen, indem sie ihn klar umgrenzen.

These 4

»Lernzeuge – gebrauchstaugliche, lernförderliche Artefakte – vermitteln «dem Nutzer ihre Funktionalität automatisch.«

Industrie 4.0 Modell by acatech

Welche zukunftstaugliche Botschaft im o.a. Satz wollen die Verfasser dieser These im Kontext mit der Industrie 4.0 mitteilen?

Ein Satz, der zu tayloristischen Organisationen gut passt: "Wenige denken, der Rest hat zu lernen!".

Her damit mit dem Nürnberger Trichter, damit gebrauchstaugliche, lernförderliche Artefakte ihre Funktionalität ins Hirn vom Nutzer automatisch reinpumpen können.  

Die Nutzer, um mal bei der Terminologie der 17 Thesen zu bleiben, benötigen Denkwerkzeuge, um selbst zu denken und die Zusammenhänge (s. das Bild oben) unter den einzelnen relevanten Komponenten herzustellen.

Beispiele:

"Welche Auswirkungen hat das Big Data Geflecht zwischen Smart Buldings und Smart Grids auf die Wertschöpfung in der Smart Factory? Wie soll die Fertigungsplanung erfolgen, damit die erhofften Wettbewerbsvorteile erschlossen werden können?"

"Messen der Luftfeuchtigkeit im Schlafzimmer mit einem Smart Product und die Auswirkungen auf die Prozesse Vertrieb / Marketing / Logistics?" (ab 23. Minute im folgenden Beitrag)

Big Data? Intelligente Maschinen

»Viele denken, das Internet sei nicht mehr als eine riesige Datenbank und Big Data viele Daten, erfasst von zahllosen billigen oder kostenlosen Apps und abgespeichert in modernen Datenbankarchitekturen. Das ist ein fataler Irrtum. In der Welt hinter dem Bildschirm entsteht ein Universum an künstlicher Intelligenz, das sich von Daten nährt -- je mehr Daten, desto besser. Lernende Maschinen, Millionen Euro schwer, klauben die Bruchstücke unseres Lebens auf und setzen sie zusammen zu einem unauslöschlichen Bild von uns und unserem Leben.«

Was kommt, was wird passieren im Rahmen von Industrie 4.0?

Die tayloristische These 4 passt zur Generation der Internet Ureinwohner nicht

Unpassende Formulierungen nerven nicht nur Per Mertesacker

Es ist an der Zeit, dass zukunftstaugliche Konzepte für Industrie 4.0 erstellt werden.