«Wer mitreden will über die Digitalisierung der Gesellschaft, muss reisen. Ich hab's getan und bin klüger zurückgekommen: Es gibt in den USA keine einheitliche Meinung zur NSA-Überwachung auch nicht zum Verhältnis Datenschutz und Wirtschaft. Und es braucht mehr als Industrie 4.0.»
Warum Deutschland die Industrie neu denken muss / Renate Künast - Quelle SZ vom 03.05.2015
Die Sätze, die ich bei der Lekture mit dem Farbstift markiert habe, möchte ich in meinem Beitrag mit kleinen Ergänzungen wiedergeben:
«Die Ostküste redet über Terrorismusbekämpfung und meint grenzenloses "Mitlesen".
Die Westküste dagegen entwickelt neue Technologien, redet über die Digitalisierung aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche und das Vertrauen ihrer Kunden.
Für die meisten Big Player gilt: Die Daten, mit denen sie umgehen, sind die ihrer Kunden, ob Business oder Privatkunden. Kein Wunder, denn viele machen ein Drittel ihres Umsatzes in der EU. Für andere Staaten gilt, wessen Datenschutz in Deutschland akzeptiert wird, der gilt als akzeptabel.
Auf den tausenden Kilometern zwischen Ost- und Westküste herrscht also extrem dünne Luft.
Die Aktivitäten der NSA durch die Hintertür haben bei den Unternehmen das starke Gefühl verursacht, hintergangen worden zu sein.»
«Die meisten der Anbieter leisten ihre Dienste gegen Entgelt. Mit den Daten ihrer zahlenden Kunden Geld verdienen, das dürfen oder wollen sie nicht. Ihr Geschäft heißt: sichere Kommunikation und gegen fremde Zugriffe sicheres Speichern. So war es eine Katastrophe, als öffentlich wurde, dass bindende Unternehmensregeln angesichts des Gebarens der Geheimdienste nichts wert sind. Die CEOs sagen, sie waren ahnungslos, als plötzlich wegen Snowden Fragen von Journalisten auf sie einprasselten, die nicht glauben wollten, dass die Internetunternehmen nicht wissen, wer sie da systematisch anzapft. Dieses "westcoast-movement" klagt nun auf gesetzliche Regelungen, um die Herrschaft des Rechts wieder herzustellen.»
«Wie stellt sich die Wirtschaft bei uns ihre Zukunft vor?
Nichts als Lobbyarbeit gegen Kundeninteressen bei der EU-Datenschutzverordnung?
Und der Glaube, es ginge zukünftig nur um die größtmögliche Ausschöpfung von Big Data, dann werde schon Innovation folgen?
Ich denke: Alle schauen auf Silicon Valley, aber wenige haben verstanden.»
«Eine singuläre Digitalindustrie wird es nicht geben, sondern neue Anwendungen. Vielleicht kauft eines Tages Uber eine internationale Fluggesellschaft oder ein Softwareanbieter einen deutschen Autohersteller?»
«Was ist zu tun?
Deutschland und Europa brauchen ein neues Denk-Design, damit wir neue Lösungen finden für die Probleme des Alltags. So was findet nicht allein zwischen einem DAX-Vorstand und der Forschungsabteilung statt. Es braucht mehr.»
«Wo ist die EU-Urheberrechtsreform, die den digitalen 3D-Entwurf schützt, wenn dieser und nicht das fertige Produkt Schutz braucht?
Beim selbstgedruckten Spielzeug fängt es an, bei sicherheitsrelevanten Ersatzteilen von Autos oder Flugzeugen wird es richtig ernst. Wenn jeder einen 3D-Drucker hat, geht es ganz existenziell um Sicherheit. Wir sind darauf nicht vorbereitet.»
«Wo werden Wissenschaft und Ärzte zusammengebracht für mehr Behandlungserfolge?
Programme, die in Minuten das weltweite Wissen zur individuellen Krebstherapie analysieren, gibt es schon in den USA durch Projekte von Universität und Unternehmen. Für so was braucht es keine Hintertür zur Datennutzung, wie manche uns in Deutschland noch einreden wollen. Die Einwilligung des jeweiligen Patienten reicht - wie im analogen Leben auch.» (tural: Noch mehr gesundheitsrelevante Disruptionen kommen auf uns: Bildung 4.0 für Smart Healthcare Services)
«Cyber-Sicherheit
Unabhängig vom BND braucht es einen Prozess von Teams, die täglich Angriff und Abwehr "durchspielen". Es geht um einen ständigen Prozess, nicht um ein behördlich zu zertifizierendes Produkt.»
«Industrie 4.0 zu sagen und staatliche Gelder rauszuwerfen, reicht nicht.
Auch große Player werden es im globalen Wettbewerb nicht allein schaffen. Wir brauchen neue Strukturen, neue Netzwerke, mehr Raum für kreative Entwicklungen.
Wer allerdings nur vermeintliche Schürfrechte bei Big Data ausbeuten will, wird auf Dauer nicht bestehen. Die Folgen langer Missachtung gesellschaftlicher Interessen haben die (vormals großen) Energiekonzerne bitter erfahren.»
Abschließend:
Zugegeben finde ich gut, dass Renate Künast in der aktuellen Legislaturperiode nicht ganz vorne agieren muss. Die Gestaltung von smart service welt inkl. industrie 4.0 benötigt mehr Menschen ihres Kalibers. Menschen, die Big Picture (Für Bsp. siehe Bild) erklären können und Menschen, die Europa sagen und Europa meinen.
«Wenn es darum geht, eine nachhaltige Digitale Gesellschaft aufzubauen, heißt: das Design unseres Denkens und Handelns neu justieren und die Bürgerrechte vom Analogen ins Digitale mitnehmen.»