ping pong thinking mit lorenzo tural osorio

Papa, was ist Wahrheit?

Im Ethik-Unterricht lernen wir, wie wir ethisch argumentieren sollten. Unsere Themen sind

- Wahrheit und Wahrheitsverpflichtung

- Schlüssigkeit und Kohärenz als logische Anforderung an ethische Argumente

- Einfache Wahrheitstheorien

- Modell einer Entscheidungsfindung

In unserem Ethik-Buch las ich, dass es viele unterschiedliche Auffassungen über die Wahrheit gibt. Von meinem Vater wollte ich hören, wie er darüber denkt.

Ich fragte ihn: "Papa, was ist Wahrheit?"

Er antwortete: "Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners"

Meine Reaktion: ???!!!???!!! waaas?

Mein Papa: "Bernhard Pörksen hat mit meinem charmanten Wiener Heinz von Foerster sehr lange Gespräche geführt. Sie haben dann ein Buch mit diesem Titel veröffentlicht. Das Buch gehört zu meinen Lieblingsbüchern."

«Wenn es keine Lüge gäbe, wäre alles, was gesagt wird, wahr. Aber mit Occhams Rasiermesser (bitte verwechseln Sie Occham nicht mit Gilette Abdi. Er rasiert euch mit Shampoo, amk) braucht das, was für alles gilt, nicht genannt zu werden. So kommt die Wahrheit erst zustande durch den Lügner: "Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners."»

Einige Zeilen weiter im gleichen Kapitel:

«So lernte ich, dass es in der Unendlichkeit des Reiches Gottes keine Lüge gibt: Alles ist wahr. Aber alles ist wahr, weil es keine Lüge gibt.»

Zufälligerweise lernten wir zur gleichen Zeit im Musik-Unterricht Aufklärung. Hier ist der Text, den wir im Unterricht gemeinsam mit unserer Lehrerin besprachen:

"Der Begriff Klassik erfährt in der Musikgeschichte zeitlich eine etwas andere Einordnung als in der Literaturgeschichte. Während die musikalische Epoche ca. von 1750 bis 1830 reicht, beginnt die literarische bereits um ca. 1720 mit der sogenannten Aufklärung. Diese war geistesgeschichtlich durch eine völlig neue Denkweise geprägt!

Die Menschen begannen sich erstmals als eigenständig denkende und fühlende Individuen mit Bedürfnissen, Wünschen und Abneigungen, vor allem aber mit einer eigenen Meinung zu begreifen. Das, als von Gott gewollt erachtete Machtgefüge von Kirche und Staat und die feudale Ständegesellschaft wurden in Frage gestellt.

Denker und Philosophen wie Voltaire, Jean-Jaques Rousseau und Immanuel Kant nutzten die neu aufkommenden Medien wie Zeitungen und Flugblätter, um Modernisierungsprozesse in der Gesellschaft voranzutreiben und ihre Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, von Toleranz und von der Würde des Menschen zu verwirklichen.

Der Zugang zu Bildung wurde erleichtert und erstmals wurden wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht, die im Gegensatz zur Bibel standen.

Aus dem Mittelalter stammende Formen der körperlichen Bestrafung und Verstümmelung wurden endlich diskutiert und teilweise abgeschafft oder der Öffentlichkeit entzogen.

Die vorherrschende Staatsform war nach wie vor der Absolutismus, doch durch eigene Leistungen und Anstrengungen erstarkte das Bürgertum zusehends und forderte Mitspracherecht in gesellschaftlichen und politischen Angelegenheiten. Die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika (1776) bewies:

Ein demokratischer Staat nach aufklärerischen Idealen ist möglich!!!

In Frankreich, wo die Staatsführung vom Volkswillen bisher kaum Notiz genommen und lediglich Versprechungen gemacht hatte, gipfelte der zunehmende Unmut des Volkes im Aufstand, in der Französischen Revolution (1789).

Leider nutzte einer ihrer Helden, General Napoleon Bonaparte, seine gewonnene Macht nicht zum Wohl des Volkes, sondern krönte sich selbst zum Kaiser, rückte bis nach Wien und überzog ganz Europa mit Krieg, Tod und Verwüstung."

Napeleon wollte also mit Gewalt durchsetzen:

«In der Unendlichkeit des Reiches Napoleons gibt es keine Lüge: Alles ist wahr (, was ich sage). Aber alles ist wahr, weil es keine Lüge (von mir Napoleon) gibt.»

Auch heute gibt es leider noch viele, die wie Napoleon und die Herrscher vor der Aufklärung denken: "Alles ist wahr, was ich sage! Wer sich nicht meiner Wahrheit verpflichtet, den bringe ich um."

Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners - Gespräche für Skeptiker Heinz von Foerster & Bernhard Pörksen Carl-Auer Verlag